Recht

Reform des Insolvenzrechts 2021 – Einführung neuer Sanierungsverfahren und Verkürzung der Restschuldbefreiung

2021 sind verschiedene wichtige Änderungen im Insolvenzrecht in Kraft getreten. Mit dem Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetzes (SanInsFoG) wird einerseits eine EU-Richtlinie umgesetzt und andererseits den wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie begegnet.

I. Unternehmenssanierung in Eigenverantwortung  

Kernstück der Reform ist das Gesetz über die Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen  (StaRUG). Es ermöglicht Unternehmen, sich auf der Grundlage eines Restrukturierungsplanes außerhalb der Insolvenzordnung zu sanieren und die gerichtliche Einbindung gering zu halten. Das StaRUG enthält insbesondere folgende neue Regelungen und Besonderheiten:

1. Sanierungsverfahren

Bevor das Restrukturierungsverfahren eingeleitet wird, besteht die Möglichkeit, sich vom Gericht einen  Sanierungsmoderator für einen Zeitraum von drei Monaten bestellen zu lassen. Dieser versucht zwischen dem Unternehmen und den Gläubigern zu vermitteln und eine Lösung für die wirtschaftlichen und finanziellen Probleme zu finden. Dies ist allerdings nicht gegen den Willen der Gläubiger möglich.

2. Restrukturierungsverfahren

Das Restrukturierungsverfahren schließt die bisher bestehende Lücke zwischen einer außergerichtlichen Sanierung und einer formellen Insolvenz nach der Insolvenzordnung. Es wird ein neues, im wesentlichen außergerichtliches und vom Unternehmen  selbstverantwortlich geführtes Sanierungsverfahren eingeführt. Der Unternehmer führt seinen Betrieb, solange wie das Verfahren andauert, selbstständig weiter. Während der Dauer des Restrukturierungsverfahrens  ruht die Insolvenzantragspflicht.
Entgegen der früheren Rechtslage können Sanierungsmaßnahmen auch  gegen den Willen einzelner Gläubiger umgesetzt werden, wenn die Gläubigermehrheit für den Restrukturierungsplan stimmt. Dafür werden die Planbetroffenen Gläubiger in Gruppen eingeteilt. Der Plan ist schon dann wirksam, wenn eine Mehrheit von 75% in jeder Gläubigergruppe erzielt wird. Im Restrukturierungsverfahren können auf Antrag auch Maßnahmen der Zwangsvollstreckung oder die Verwertung von besonders gesicherten Gegenständen untersagt werden.
Anders als im Insolvenzverfahren ist hier  kein konsolidiertes Gesamtverfahren notwendig, denkbar wäre auch lediglich eine Restrukturierung der Finanzverbindlichkeiten durch z.B. Stundungen oder Kürzungen von Forderungen. Umgestaltet werden können auch Absonderungsanwartschaften, Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte. Die Ansprüche auf Lohnfortzahlung der Arbeitnehmer, sowie betriebliche Altersvorsorgen sind jedoch unantastbar.

Welchen Unternehmen steht diese Möglichkeit offen?

Möglich ist dies für Unternehmen, denen die  Zahlungsunfähigkeit droht. ,,Drohend“ ist die Zahlungsunfähigkeit nunmehr dann, wenn das Unternehmen voraussichtlich innerhalb der kommenden zwei Jahre zahlungsunfähig werden wird. Zum Zeitpunkt der Antragsstellung bedarf es einer positiven Fortbestehensprognose. Eine solche liegt dann vor, wenn das Unternehmen noch voraussichtlich ein Jahr zahlungsfähig bleibt. Damit Anträge rechtzeitig gestellt werden können, ist durch die Geschäftsführung ein Risikofrüherkennungssystem einzuführen.

Welche Instrumente werden zur Verfügung gestellt?

Stabilisierungsanordnung

Diese bietet die Möglichkeit einer Anordnung, die Maßnahmen der individuellen Rechtsdurchsetzung der Gläubiger für eine Dauer von bis zu 3 Monaten (in Ausnahmefällen bis zu maximal 8 Monaten) einschränkt, um dem Unternehmen die Möglichkeit und die Zeit zu geben, einen Restrukturierungsplan auszuarbeiten und zu verhandeln.

Restrukturierungsbeauftragter

Das Gericht kann einen neutralen Restrukturierungsbeauftragten bestellen, welcher die Ordnungsgemäßheit des Verfahrens überwachen und zwischen den Parteien vermitteln soll.

Gläubigerbeirat

Dieser hat zum Beispiel ein Vorschlagsrecht für die Person des Restrukturierungsbeauftragten und wird ebenfalls vom Gericht bestellt.
Es besteht die Möglichkeit durch einen Restrukturierungsplan in die Sicherheiten der Tochter-, Mutter- und Schwestergesellschaften einzugreifen. Die besicherten Gläubiger sind für derartige Eingriffe angemessen zu entschädigen.

II. Änderung im Bereich der Restschuldbefreiung

Auch die geänderten Regelungen im Bereich der Restschuldbefreiung sind Teil des Konjunktur- und Krisenbewältigungspaketes der Bunderegierung und setzen Vorgaben der EU-Richtlinie über die Restrukturierung und Insolvenz für den Bereich der Entschuldung um.
Überschuldeten Unternehmerinnen und Unternehmern sowie Privatpersonen wird damit ein schnellerer Neuanfang ermöglicht. Mit Wirkung zum 1. Oktober 2020 beschloss der Bundestag folgende Gesetzesänderung:
  • Die Dauer des Restschuldbefreiungsverfahrens wird von sechs Jahren auf drei Jahre verkürzt.
  • Für zwischen dem Dezember 2019 und dem 30. September 2020 beantragte Insolvenzverfahren gilt eine Übergangsregelung. Die reguläre Zeit von sechs Jahren für die Erlangung einer Restschuldbefreiung wird um so viele volle Monate verkürzt, wie seit dem Inkrafttreten der EU-Richtlinie am 16. Juli 2019 bis zur Stellung des Insolvenzantrages vergangen sind.
  • Insolvenzbedingte Verbote beruflicher Tätigkeiten treten mit Ablauf der Entschuldungsfrist außer Kraft. Bei erlaubnis- und zulassungspflichtigen Tätigkeiten ist jedoch erneut eine Genehmigung einzuholen.
  • Die zehnjährige Sperrfrist für ein zweites Restschuldbefreiungsverfahren wird auf elf Jahre erhöht.